Demographie-Blog

Das Interview – Sind ältere Arbeitnehmer Gold wert?

Prof. Dr. med. Joachim E. Fischer
Vier Fragen an Prof. Dr. med. Joachim E. Fischer, Direktor des Mannheimer Instituts für Public Health der Universität Heidelberg

Fest steht: Stress am Arbeitsplatz wird im 21. Jahrhundert nicht abnehmen und erfordert immer mehr das Ausbalancieren von Arbeit und anderen Lebensbereichen. Prof. Dr. Fischer forscht auf dem Gebiet der Gesundheit von Beschäftigten und es zeigt sich, dass gute Arbeitsbedingungen nicht nur die Produktivität steigern, sondern auch die Gesundheit stärken – bei Jung und Alt.

Herr Prof. Dr. Fischer, wie steht es um die Wertschätzung älterer Arbeitnehmer in Deutschland?

Das ist im Wandel. Es gibt Unternehmen, die sich aktiv darum bemühen, die Arbeitsfähigkeit der älteren Beschäftigten zu erhalten. Wir sehen anhand von Unternehmensbefragungen, die wir regelmäßig durchführen, dass ältere Mitarbeiter immer mehr geachtet werden. Das war vor zehn Jahren anders. Daraus entnehme ich, dass ein Bewusstsein dafür entsteht, bereits vorhandene Mitarbeiter arbeits- und leistungsfähig zu erhalten. Sie sind sozusagen das Gold, was man schon im Unternehmen hat, aber noch ausgraben muss. Immer mehr Unternehmen merken, dass es nicht so einfach ist, an junge Fachkräfte zu kommen und das ist ein gewisser Wandel.

Was zeichnet ältere Arbeitnehmer unabhängig von ihren fachspezifischen Kompetenzen aus?

Ältere Arbeitnehmer sind anders als jüngere Arbeitnehmer. Unbestreitbar hat man mit 55 nicht mehr die gleiche körperliche Kraft wie mit 25. Das ist einfach Biologie. Wer mit schlechtem Gesundheitsverhalten nicht auf sich aufgepasst hat, merkt deutliche körperliche Verschleißerscheinungen. Das ist, was auf der ungünstigen Seite steht. Man muss sich aber fragen, ob in der modernen Wissensgesellschaft noch viel Kraft für die Arbeit notwendig ist. Die Arbeit hat sich dahin gewandelt, dass viele der Arbeitsbedingungen, die vor 10, 15 Jahren noch als ungeeignet für ältere Beschäftigte galten, nun anders eingeschätzt werden. Ein einfaches Beispiel ist die Sehstärke: Warum nicht einfach größere Bildschirme zur Verfügung stellen? Was wir zusätzlich in unseren Daten sehen, ist, dass älteren Menschen zunehmend wichtiger wird, ob sie sinnvolle Arbeit leisten und diese zu einem erfüllten Leben beiträgt. Die Menschen, die das über ihre Arbeit sagen können, haben erheblich weniger psychische Probleme und eine höhere Produktivität. Das finde ich einen interessanten Befund, weil das die Frage von Werten älterer Beschäftigter aufwirft. Wenn man sie darin gefördert hat, ihre Kompetenz zu erhalten, dann gewinnen sie zusammen mit ihrer enormen Erfahrung eine viel bessere Urteilskraft. Das ist auch der Grund, warum wir uns vor wichtigen Entscheidungen häufiger Leuten anvertrauen, die die 50 schon hinter sich haben. CEOs von Unternehmen sind in Regel auch nicht 25.

Wie können es denn Unternehmen oder Arbeitgeber schaffen, dass sich sowohl ältere als auch jüngere Menschen am Arbeitsplatz wohlfühlen?

Es gibt kein einfaches Patentrezept, weil es eine Frage der Wertschätzung ist. Mit dem „Haus der Arbeitsfähigkeit“ des führenden Arbeitswissenschaftlers Juhani Ilmarinen im Kopf muss man sich als Unternehmensführung einige Fragen überlegen, um eine wertschätzende Haltung den Mitarbeitern gegenüber einzunehmen: Was kann ich dafür tun, dass sie psychisch und körperlich gesund sind? Was kann ich dafür tun, dass sie ihre Kompetenz und Motivation behalten? Was für eine Arbeitsumgebung kann ich schaffen? Wenn man sich diese Fragen beantwortet, kann es gelingen, dass man eine Arbeitsumgebung schafft, in der sich jeder wohlfühlen kann. Das geht sogar in produzierenden Betrieben: BMW und sicherlich auch andere Automobilhersteller kümmern sich zum Beispiel um die Bauweise der Bänder, an denen auch 55-Jährige tätig sein können.

Die Arbeitsumgebung umfasst also sowohl die räumliche Gestaltung als auch die Gefühlswelt der Arbeitnehmer?

Sie können die Gestaltung eines Raumes oder eines Arbeitsplatzes und wie sich ein Mensch darin fühlt, nicht abkoppeln. Wenn ich mich in einen überfüllten Raum mit 20 Leuten setze, die alle telefonieren und ich eine hoch komplexe Statistik programmieren soll, dann wird das nicht funktionieren. Wenn eine Struktur geschaffen wird, die Menschen anspricht, dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass Wohlbefinden und damit auch produktiv förderliche Arbeitsplätze entstehen. Dinge wie Anwesenheitskultur, Führungsselbstverständnis, Werte und Raumgestaltung sind wichtig. Wenn Mitarbeiter bei diesen Fragestellungen mit eingebunden werden, sieht man, dass es ihnen besser geht – sogar biologisch messbar. Man darf die Rückwirkung einer guten Gestaltung der Räumlichkeiten nicht unterschätzen. Forschung zur Gebäudegestaltung zeigt, dass in der gesamtbetriebswirtschaftlichen Betrachtung nur fünf bis sechs Prozent der Ausgaben eines Unternehmens für das Einrichten von Büroräumen verwendet werden. Controller sparen an der falschen Stelle und merken nicht, dass es eben die Produktivität der Beschäftigten eher behindert als unterstützt. Man muss sich überlegen, was gut für die Mitarbeiter ist.

Wenn Sie noch mehr zum Gesundheitsmanagement wissen möchten, kommen Sie zum Demografie-Tag auf der didacta 2016 in Köln:

Forum Qualifizierung
Wertschöpfung durch Gesundheit ist messbar
Prof. Dr. med. Joachim Fischer, Direktor, Mannheimer Institut für Public Health, Universität Heidelberg
18.02.2016, 13:15 Uhr – 14:00 Uhr, Halle 9, B 66/C 69
Veranstalter: Didacta Verband der Bildungswirtschaft


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