Welche Rolle spielt die Vertrauenskultur für Unternehmen? Wie lässt sich Vertrauen durch
Führung aufbauen? Antwort darauf geben in der Interview-Reihe führende Praktiker aus Unternehmen.
Mag. Herwig Kummer, stv. Leiter Personalmanagement beim Österreichischen Automobil-, Motorrad- und Touring Club (ÖAMTC) und HR Blogger, gibt Antworten:
1. Welche Rolle spielt die Vertrauenskultur heute vor dem Hintergrund des rasanten digitalen und demographischen Wandels?
Da kann ich nur sagen: Versuchen´s Sie es einmal ohne!
Je dynamischer das Umfeld, desto mehr Vertrauen braucht es in der menschlichen Zusammenarbeit. Digitalisierung stärkt Netzwerke, die nicht mehr kontrollierbar sind, zumindest nicht im klassischen Sinne. Und der demographische Wandel sorgt für eine plötzliche Machtverschiebung – von Unternehmen hin zu Konsumenten und potenziellen Mitarbeitern bzw. Bewerbern.
In einem solchen Umfeld kommen Sie Sie mit Planung, Steuerung und Kontrolle nicht weit, da braucht es Vertrauen – von den Konsumenten in Ihre Produkte, von (potentiellen) Mitarbeitern in Ihre Organisation und von allen Mitarbeitern untereinander, und natürlich zur eigenen Führungskraft.
2. Wie können Führungskräfte Vertrauen aufbauen?
Zuallererst, in dem sie sich selbst vertrauen. Das klingt einfacher, als es tatsächlich ist.
Organisationen dienen ja im Grunde dazu, Abweichungen zu reduzieren und Ergebnisse verlässlich zu produzieren. Und Führungskräfte haben hier Steuerungs- und Kontrollfunktion. Vertrauenskultur verlangt genau das Gegenteil, ohne aber auf die tradierten Funktionen zu verzichten.
Das bedeutet, dass Führungskräfte einerseits ihre Funktion wahrnehmen müssen, und zusätzlich auch Grenzen verschieben und erweitern müssen, um erfolgreich zu sein. Dazu müssen sie zunächst sich selbst (ihren Werten, Intuition, Mut, etc.) vertrauen. Erst damit können Sie ihren Mitarbeitern einen ausreichenden Vertrauen(svorschuß) geben. Dadurch wächst ein gegenseitiges Vertrauen und legt die Basis für eine gelebte Vertrauenskultur.
3. Welche Initiativen ergreift der ÖAMTC beim Thema Vertrauenskultur?
Der ÖAMTC als größte Mitgliederorganisation in Österreich setzt schon seit jeher auf seine Mitarbeitenden, weil sie diejenigen sind, die in Notsituationen – abseits von starren Abläufen bestmöglich helfen. Das hat ihnen auch die Bezeichnung „Gelbe Engel“ eingebracht.
Als Organisation unterstützen und fördern wir dies, indem wir unsere Mitarbeitenden in relevante Fragen einbeziehen und sie wirklich mitarbeiten sowie mitentscheiden lassen. Wir reduzieren administrative Kontrollprozesse aufs Nötige und stärken die Eigenverantwortung des Einzelnen im Sinne des Gesamten.
Als Beispiel möchte ich die Zusammenlegung unserer Verwaltungsstandorte in Wien in die neu errichtete Mobilitätszentrale nennen, an deren Gestaltung mehr als ¼ aller Mitarbeitenden einen wesentlichen Beitrag – ohne Kontrollprozesse – leisteten.
Herzlichen Dank für die Beantwortung der Fragen
Rolf Dindorf
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