Die Geschäfte im deutschen Mittelstand laufen so gut wie seit Jahren nicht. Mehr als jeder zweite Mittelständler (59 Prozent) ist derzeit uneingeschränkt zufrieden mit der Geschäftslage – das ist der höchste Wert seit dem Jahr 2004, als die Studie (EY Mittelstandsbarometer) erstmals durchgeführt wurde. Auch der Ausblick ist optimistisch: 38 Prozent erwarten, dass sich die eigene Geschäftslage in den kommenden sechs Monaten verbessert, nur sieben Prozent rechnen mit sinkenden Umsätzen.
Fehlende Fachkräfte im deutschen Mittelstand
Doch vor allem der Fachkräftemangel trübt die Stimmung: 78 Prozent der Unternehmen geben an, dass es ihnen schwer falle, ausreichend qualifizierte Mitarbeiter zu finden – vor einem Jahr lag der Anteil noch bei 69 Prozent, Anfang 2015 bei 67 Prozent. Besonders zwei deutsche Vorzeigebranchen – der Kraftfahrzeugbau und die Elektrotechnik – berichten von Problemen bei der Rekrutierung qualifizierter Mitarbeiter: In diesen Branchen fällt es 89 bzw. 84 Prozent der Unternehmen schwer, offene Stellen adäquat zu besetzen. Zudem wird der Fachkräftemangel von den mittelständischen Unternehmen derzeit als das größte Risiko für das eigene Unternehmen gesehen – noch vor einer möglichen Konjunkturabschwächung, Hackerangriffen oder zunehmenden geopolitischen Spannungen.
Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften macht sich bereits ganz konkret in den Büchern der Unternehmen bemerkbar: Gut jeder zweite Mittelständler (53 Prozent; Vorjahr: 49 Prozent) beklagt, dass er Aufträge nicht annehmen kann, weil ihm geeignete Fachkräfte fehlen – jeder neunte beklagt sogar erhebliche Umsatzausfälle von mehr als fünf Prozent. Insgesamt dürfte sich der Schaden, der dem deutschen Mittelstand durch derartige entgangene Umsätze entsteht, nach EY-Berechnung auf jährlich gut 49 Milliarden Euro belaufen.
Grundsätzlich ist dabei die Bereitschaft, zusätzliche Mitarbeiter einzustellen, so hoch wie seit Jahren nicht: 33 Prozent der Mittelständler planen, die Zahl der Mitarbeiter in Deutschland zu erhöhen – der höchste Wert seit zehn Jahren.
Das sind Ergebnisse des Mittelstandsbarometers der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young), für das 3.000 mittelständische Unternehmen in Deutschland befragt wurden.
Besonders gesucht sind Fachkräfte in den Bereichen Produktion – hier berichten 50 Prozent der Unternehmen von zahlreichen offenen Stellen – und Vertrieb/Kundendienst (25 Prozent). Über zahlreiche Vakanzen im IT-Bereich berichten 15 Prozent der Unternehmen – zukünftig dürfte dieser Anteil aber deutlich steigen.
Können Flüchtlinge dazu beitragen, den Fachkräftemangel in Deutschland zu mildern?
Im vergangenen Jahr waren noch 55 Prozent dieser Meinung, in diesem Jahr nur noch 45 Prozent. Immerhin aber beschäftigen derzeit 16 Prozent der Unternehmen Flüchtlinge – weitere 59 Prozent wären grundsätzlich bereit, Flüchtlinge einzustellen.
Als größte Hürde für eine erfolgreiche Integration von Flüchtlingen in den deutschen Arbeitsmarkt nennen vier von fünf Mittelständlern mangelnde Deutschkenntnisse; fehlende Qualifikationen sieht wie im Vorjahr knapp jeder zweite Befragte (46 Prozent). Deutlich weniger Schwierigkeiten als Anfang 2016 bereitet offenbar die Bürokratie: Vor einem Jahr sahen noch 58 Prozent der Unternehmern die unklare Gesetzeslage während laufender Asylverfahren als Problem – inzwischen sind es nur noch 34 Prozent. Und der Anteil der Mittelständler, die die fehlende Planungssicherheit – etwa die Gefahr der Abschiebung – beklagen, hat sich binnen Jahresfrist von 52 auf 25 Prozent mehr als halbiert.
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Das hört sich aus Arbeitnehmersicht ja erstmal ganz gut an. Aber mein Eindruck ist, dass der Fachkräftemangel immer noch ein sehr begrenztes Problem ist. Und zwar begrenzt auf strukturschwache Regionen oder unattraktive Branchen. Wer möchte schon als gelernter Koch für 1.600 € bei schlechten Arbeitszeiten arbeiten? Oder für den Mindestlohn ins Niemandsland ziehen? Mich würde mal interessieren, wie die Erfahrungen der “Generation Silberhaar“ sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Fachkräftemangel dort zu spüren ist!?
Hallo Frau Fuchs,
der Fachkräftemangel ergibt sich tatsächlich aus strukturschwachen Regionen, unattraktiven Branchen sowie schlechten Lohn- und Arbeitsbedingungen. Allerdings sind in einigen Branchen (z. B. Informatik) auch Engpässe zu konstatieren.
Die „Generation Silberhaar“ spürt leider weniger den Fachkräftemangel. Die Einstellungspolitik gegenüber ältereren Bewerbern verändert sich nur langsam. Leider.
Salü
Rolf Dindorf
Sind die demographische Herausforderung und der Fachkräftemangel ein spannendes Thema für Sie?
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