Teil 2:
Digitalisierung der Führungslogik
Zum zweiten zeigt sich die Veränderung aber auch in einer Digitalisierung der Führungslogik. Die Abkehr des „modern Leadership“ vom klassischen „Command & Control“ zeigt dabei viele Parallelen zur Logik und zu den Mustern der digitalen Welt:
1. Nutzerzentrierung: Organisationen und Produkte versuchen heute Kunden- bzw. Userzentriert zu denken – die Führungskraft sollte ergo Teamzentriert denken, sprich: „was benötigen meine Mitarbeiter um ihren Job bestmöglich erfüllen zu können?“.
Auch lohnt sich der Blick auf die aktuellen Trends wie der Sharing- oder Bewertungs-Ökonomie. So sollte z.B. (analog kununu und co in der Unternehmensbewertung) Feedback an die Führungskraft vom Team und anderen Stakeholdern in der ein oder anderen Form ein zentraler Teil der heutigen FK-Entwicklung sein.
2. Agilität und Transformationalität: Eine Antwort auf die gestiegene Komplexität ist die „agile“ Logik. Ganz im Sinne der agilen (und vor allem Scrum-) Bewegung aus erfolgreichen Softwareprojekten ergeben sich völlig neu gedachte Zusammenarbeits- und Führungsbeziehungen bis hin zum Bild der „agilen Organisation“. Entgegen der „alten Command&Control“ Logik findet Führung in einem agilen Team auf Augenhöhe statt und die Führungskraft versteht sich als transparenter Coach und Enabler, also
„Möglichmacher“ für ein motiviertes, selbstorganisiertes Experten-Team. Die Befähigung zur Selbststeuerung ist hierbei eine zentrale Aufgabe. Ist (gerade in Deutschland) seit Jahren eine starke Fokussierung auf Ziele bzw. Transaktionale Führung zu beobachten, gilt es für den „Digital Age Leader“ einen guten Schritt Richtung Transformationaler Führung zu machen: Vorbild sein und Vertrauen schaffen, Motivieren und Inspirieren gepaart mit unternehmerischer Haltung und Ergebnisorientierung. (Siehe z.B. die „Sieben Kompetenzen des Transformationalen Führungsstils“)
3. Vernetzung: Zudem ist ein weiterer Aspekt (und eine weitere Analogie zur digitalen Welt) die immer einfachere Möglichkeit der Vernetzung im wahrsten Sinne des Wortes. Sowohl im Unternehmen selbst (z. B. interne Social Media Systeme) als vor allem aber auch außerhalb in persönlichen und fachlichen Netzwerken und Wissensquellen (Twitter, Blogs, Foren,…) vernetzt zu sein, kann und muss für die Führungskraft eine extrem schnelle und effektive Informationsquelle sein, wie auch die Möglichkeit zu einem sehr hochwertigen Austausch bieten.
4. Temporäre Strukturen: Möglicherweise zukunftsweisend gibt es mehrere (auch bereits gelebte) Ansätze zu temporärer Führung. So gibt es bereits heute Unternehmen bei denen der CEO oder andere Führungsrollen periodisch von den Mitarbeitern selbst gewählt werden (z. B. Haufe-Umantis). Neben diesen Extremausprägungen ist auf jeden Fall zu beobachten, dass in Karriere-Biografien nicht immer unbedingt nach steigender Führungsspanne geschaut wird, sondern oft „erfüllende“ Aufgaben das Ziel sind und von Position zu Position (bzw. in verschiedenen Projekten) unterschiedliche Führungs- bzw.
„Nicht-Führungs-“ Rollen eingenommen werden können, ohne einen Gesichtsverlust zu befürchten. Ein Wechsel zwischen hoher (Führungs-)Verantwortung und einem Zeitraum ohne Führungsaufgabe kann zudem als sehr entlastend und energiespendend wahrgenommen werden.
„A boss is someone you have to follow – a leader is someone you choose to follow“
Angelehnt an die Systemtheorie begegnet man komplexen Systemen am besten ebenfalls mit Komplexität – für den Führungsalltag übersetzt würde das bedeuten Unsicherheiten und Fehler zuzulassen, Räume für Entfaltung und Innovationen zu erschaffen, im systemischen Sinne Selbststeuerung zu stärken und zu ermöglichen, ergo eher als „Coach“ und „Sparringspartner“ aufzutreten.
Wie gesehen macht es Sinn, sich hierzu die digitalen Logiken näher anzuschauen und aus ihnen Analogien in den Führungsalltag zu übersetzen. Wichtig hierbei ist (sollte dies auf Unternehmensebene gelingen), zuerst das Führungsverständnis anzupassen und danach die Tools und Prozesse, so dass das Unternehmen nicht in eine
„Beschleunigungsfalle“ (vgl. Bruch) gerät, welche Überlastung und Unzufriedenheit hervorrufen kann. Schafft man es aber, diese zu umgehen ist es möglich ein hohes Maß an „Sensitivität“ und „Reagibilität“ (vgl. Kienbaum Change-Management Studie 2014/15 „Agility – überlebensnotwendig für Unternehmen in unsicheren und dynamischen Zeiten“) zu erreichen und somit als erfolgreiche Führungskraft mit seinem Team auf Veränderungen und komplexe Situationen vorbereitet zu sein. Zudem sind ebendiese modernen und zukunftsorientierten Teams und Unternehmen ein attraktiver Arbeitgeber in einem veränderten Arbeitsmarkt.
Über den Autor:
Thorsten Heilig ist Head of People & Organization bei der moovel Group GmbH, einem
Tochterunternehmen der Daimler AG für innovative Mobilitätslösungen. Zentrales Produkt ist die moovel App, in der sich verschiedene Mobilitätsangebote kombiniert anzeigen und direkt buchen lassen.
Zudem ist er Berater und Coach mit systemischen Hintergrund. Er beschäftigt sich mit der digitalen Transformation, Trends & Innovationen und den Herausforderungen an der Schnittstelle Digital/People. Sein Schwerpunkt liegt dabei auf „modern leadership“, „Change&Kulturentwicklung“, „Agile Organisation“ und der Begleitung von StartUps und Wachstumsunternehmen. Er twittert unter @berufsoptimist.
Kontakt:
Thorsten Heilig
thorsten.heilig@gmx.de
twitter: @berufsoptimist
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